Renaturierung von Fließgewässern
Neues Leben für Flüsse und Bäche
Begradigungen und Betongerinne machen Fließgewässer zu monotonen Lebensräumen. Durch Renaturierungen sollen aus eingezwängten Kanälen wieder lebendige Gewässer mit vielfältigen ökologischen Funktionen werden. In vielen Fällen ist jedoch keine echte Renaturierung möglich, da die hierfür erforderlichen Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen. Es ist dann besser, von „Revitalisierung“ – Wiederbelebung – zu sprechen.
Grundsätzliches
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Bäche brauchen Platz. Sie sind dynamische Lebensräume, die abtragen und ablagern, ihren Lauf verändern, Ufer und Auen überschwemmen. Ideal ist, wenn sich durch Renaturierung die eigendynamische Entwicklung mit diesen natürlichen Prozessen wieder initiieren lässt. In der Praxis fehlen allerdings oft die hierfür erforderlichen Flächen. Dann ist zumindest die Strukturentwicklung innerhalb des bestehenden Gewässerbettes zu ermöglichen bzw das Gewässerbett durch „künstliche“ Strukturelemente aufzuwerten. |
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Ungeklärte Abwässer oder Schadstoffe aus intensiv genutzten Flächen sind von den Gewässern fernzuhalten. Erforderlich hierfür sind eine standortangepasste Landnutzung mit bedarfsgerechter Düngung, vorsichtiger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und ausreichend große Pufferflächen. Erfreulich ist, dass sich – im Gegensatz zu den Gewässerstrukturen – die Wasserqualität vieler Bäche und Flüsse in den vergangenen Jahrzehnten verbessert hat. |
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Das Abflussverhalten eines Fließgewässers wird wesentlich durch natürliche Wasserspeicher wie Moore, Sümpfe, Bruchwälder oder Auen beeinflusst. Daher ist auch die Erhaltung und Renaturierung dieser Wasser geprägten Lebensräume im Einzugsgebiet der Gewässer von großer Bedeutung.
=> mehr zum Thema Feuchtgebiete
=> mehr zum Thema Auwälder |
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Wasserentnahmen müssen sich an den ökologischen Rahmenbedingungen orientieren. Insbesondere ist bei Niederwasser eine ausreichende Abflussmenge zu gewährleisten. Auch Schwall und Sunk, also unnatürlich große Wasserstandschwankungen in kurzer Zeit, wie sie durch Wasserkraftnutzung entstehen, und Veränderungen der Wassertemperatur wirken negativ auf die Gewässerökologie. |
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Wird ein Gewässer renaturiert, sollte möglichst im oberen Abschnitt begonnen werden: Während der Bauphase können temporäre Belastungen durch Schwebstoffe, Nährstoffe oder Sauerstoffmangel auftreten, die andernfalls bereits renaturierte Abschnitte unterhalb beeinträchtigen würden.
=> mehr zum Thema Baustellen und Naturschutz |
Maßnahmen
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Eigendynamische Gewässerentwicklung
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Anstelle eines streng vorgegebenen Gewässerbetts ist eine selbsttätige Entwicklung zu bevorzugen, indem das Gewässer ausreichend Raum erhält. Für eine eigendynamische Gewässerentwicklung müssen Uferbefestigungen beseitigt oder zumindest lokal geöffnet werden. Strömungslenker wie Raubäume, Wurzelstöcke oder Buhnen an einem Ufer bei gleichzeitiger Entfernung der Ufersicherungen auf der gegenüberliegenden Seite initiieren die eigendynamische Entwicklung. Bei kleinen Gewässern kann die eigendynamische Entwicklung durch einen durchgehenden linienförmigen Gehölzgürtel behindert werden; auch hier sind Auflockerungen hilfreich. Befestigungen werden auf Fixpunkte beschränkt und dazwischen wird Seitenerosion zugelassen. |
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Ufersicherungen werden soweit als möglich entfernt. Erforderliche Sicherungsmaßnahmen erfolgen durch ingenieurbiologische Bauweisen mit Weiden und Erlen, mit Faschinen aus Weidenästen, mit Weidenspreitlagen zur flächigen Böschungssicherung oder durch Flechtzäune und Raubäume.
=> mehr zum Thema Ingenieurbiologie< |
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Wasserführung, Geländemorphologie, Gefälle und vorhandenes Bodensubstrat sind die bestimmenden Faktoren:
hohes Gefälle, blockiges Material und Steine => gestreckter Verlauf
mittleres Gefälle, Kies und Sand => geschwungener Verlauf
geringes Gefälle, Feinkies, Sand, Lehm und organisches Material => gewundener Verlauf. |
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Wird Sohlsubstrat eingebracht, muss es dem Gewässertyp entsprechen und darf die natürliche Rauigkeit des Gewässerbetts nicht verändern. Dabei sollte das neue Material nur grob verteilt und nicht ausplaniert werden – dies übernimmt der Bach selbst. |
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In eingedohlten Gewässern verbessert eine Anhebung der Gewässersohle die Chancen einer erfolgreichen Gewässerrenaturierung, wenn dadurch trockengefallene Auen wieder an das Gewässer angebunden und in die Gewässerentwicklung einbezogen werden. |
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Gewässerkontinuum
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Querverbauungen wie Wehre und Abstürze sind Wanderhindernisse für Fische und Kleintiere, die das Fließgewässerkontinuum unterbrechen. Unvermeidbare Sohlstufen sind als raue oder aufgelöste Sohlrampen zu gestalten, so dass sie möglichst von allen aquatischen Organismen passiert werden können. |
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Fischtreppen und Bypässe bzw Umgehungsgerinne können die Durchgängigkeit wieder herstellen. Die Wiederherstellung des Fließgewässerkontinuums einschließlich der Vernetzung mit den Seitengewässern ist ein vorrangiges Ziel im Gewässerschutz. |
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Gewässerstrukturen
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Die natürliche Vielfalt der Gewässersohle mit Kolken und Furten, Engstellen und Aufweitungen wird erhalten bzw wiederhergestellt. Längs- und Querprofil des Gewässers sind abwechslungsreich mit kleinräumig wechselnden Strömungsverhältnissen. |
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Strömungshindernisse führen zu einer Strukturverbesserung. Als Strömungshindernisse dienen zB Störsteine, Wurzelstöcke, Kiesschüttungen oder Dreiecksbuhnen. |
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Lokale Profilaufweitungen fördern die Entwicklung von temporär trockenen Sand- und Kiesbänken. |
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Totholz: In vielen naturnahen Gewässern ist Totholz ein wesentliches Strukturelement. Der natürliche Eintrag erfolgt aus dem Umland durch abgestorbene Bäume, durch Ufererosion, Hangrutschungen, Wind- und Schneebruch oder auch durch die Nageaktivität von Bibern. Wo möglich, ist Totholz im Gewässer zu belassen.
=> mehr zum Thema Neues Leben aus totem Holz |
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Abwechslungsreiche Ufer mit variablen Böschungsneigungen schaffen. Bei tief eingeschnittenen Gewässern ist Uferabflachung eine einfache Methode, um Flachwasser- und Wasserwechselzonen zu schaffen. |
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Uferunterhöhlungen und -abbrüche zulassen. Steilufer sind wichtige Brutbiotope für Vögel, zB Uferschwalbe und Eisvogel, und auch für Insekten. |
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Gewässerrandstreifen
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Gewässerrandstreifen anlegen, um die Stoffeinträge aus dem Einzugsgebiet zu minimieren. Naturnah gepflegte Ufersäume mit Röhrichten, Hochstauden und Gehölzen sind wertvolle Lebensräume. Extensive Randstreifen sind zudem wichtige Korridorbiotope, die Lebensräume vernetzten. In verbauten oder intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten bieten Fließgewässer nahezu die einzigen Wandermöglichkeiten für Amphibien und andere Tiere. |
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Ufergehölze aus Erlen, Weiden oder Esche befestigten die Ufer. Zudem ist der Laubeintrag eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Wasserorganismen. Somit sind Ufergehölze auch ein wesentlicher Faktor für gesunde Fischbestände. Beschattung durch Gehölze verhindert eine übermäßige Entwicklung von Wasserpflanzen und kann dadurch sogar den erforderlichen Gewässerunterhalt reduzieren. |
=> mehr zum Thema Gewässerrandstreifen |
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Überschwemmungsbereiche
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Auen und Überflutungsgebiete sind unverzichtbare Elemente naturnaher Fließgewässer. Fehlen diese, können Flutmulden helfen, extreme Hochwasserspitzen zu brechen, indem Wasser in definierte Retentionsräume ausgeleitet wird. Dies sind vor allem Waldflächen und Landwirtschaftsgebiete mit geringerem Schadenspotenzial als bebaute Gebiete. Kleine Hochwässer bleiben im Gerinne und sorgen für die notwendige Eigendynamik im renaturierten Gewässerbett. Allerdings sind für diese Maßnahmen umfangreiche Planungen erforderlich.
=> mehr zum Thema Awälder |
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Gewässerunterhalt
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Der Gewässerunterhalt hat sich an den Zielen der Gewässerentwicklung zu orientieren. Manchmal führen bereits geringe Änderungen in den Pflegemaßnahmen zu deutlichen ökologischen Verbesserungen – beispielsweise, indem die Schnittzeitpunkte angepasst werden.
=> mehr zum Thema Naturnahe Gewässerpflege |
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Unterlagen / Links
Gunkel, G. (1996): Renaturierung kleiner Fließgewässer. Umweltforschung, Gustav Fischer Verlag, Jena - Stuttgart, 471 S.
Gebler, R.-J. (2005): Entwicklung naturnaher Bäche und Flüsse. Maßnahmen zur Strukturverbesserung. Grundlagen und Beispiele aus der Praxis. Verlag Wasser + Umwelt, Walzbachtal
Kanton Aargau (2005): Renaturierungs- und Unterhaltsarbeiten an Gewässern. Praxishilfe. Departement Bau, Verkehr und Umwelt - Abteilung Landschaft und Gewässer, 39 S.,
Download pdf (1.003 kb)
T. Oesch & U. Liembd (2015): Revitalisierung kleiner und mittlerer Fliessgewässer. Ein Leitfaden für Praktiker. Schriftenreihe des Instituts für Landschaft und Freiraum 13, HSR Hochschule für Technik Rapperswil, Rapperswil, 88 S. + Anhang
H. Berg, R. Dimmer & C. Zester (2003): Wirksame und kostengünstige Maßnahmen zur Gewässerentwicklung. Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz, Mainz, 80 S.,
Download pdf (8.777 kb kb)
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2005-2007): Durchgängigkeit für Tiere in Fließgewässern.
Leitfaden Teil 1 - Grundlagen (4.090 kb),
Leitfaden Teil 2 - Umgehungsgewässer und fischpassierbare Querbauwerke (18.017 kb),
Leitfaden Teil 3 – Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren (6.782 kb), LfU, Karlsruhe
U. Dumont, P. Anderer & U. Schwevers (2006): Handbuch Querbauwerke. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 212 S.,
Download pdf (33.566 kb)
M. v. Siemens, S. Hanfland, W. Binder, M. Herrmann & W. Rehklau (2005): Totholz bringt Leben in Flüsse und Bäche. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft und Landesfischereiverband Bayern, München, 47 S.,
Download pdf (6.229 kb)
A. Jany & P. Geitz (2013): Ingenieurbiologische Bauweisen an Fließgewässern. WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH & LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe,
Download Teil 1 - Leitfaden für die Praxis (pdf 7.927 kb),
Download Teil 2 - Steckbriefe aus der Praxis (pdf 7.588 kb),
Download Teil 3 - Arbeitsblätter für die Baustelle (pdf 2.078 kb)
A. Stowasser, C. Gerstgraser, R. Männel, G. Müller, H. Prugger & R. Tynior (2005): Ufersicherung – Strukturverbesserung. Anwendung ingenieurbiologischer Bauweisen im Wasserbau Handbuch 1, Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Dresden, 89 S.,
Download pdf (20.873 kb)
T. Fleischhacker, K. Kern (2003): Erreichbare Ziele in der Gewässerentwicklung. Ein Beispielkatalog für die gewässerunterhaltungspflichtigen Kreise, Städte und Verbandsgemeinden. Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz, Mainz, 116 S.,
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U. Koenzen, H.-P. Henter, H. Brandt, A. Donauer, D. Schillings, K. Borggräfe, R. Bostelmann, I. Nadolny, J. Renner, A. Stöckmann, H. Jandt, K. Leifels, B. Schackers, U.Braukmann, B. Rupp, U. Stein & K.-D. Fröhlich (2009): Kleine Fließgewässer pflegen und entwickeln. Neue Wege bei der Gewässerunterhaltung. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 23 S.,
Download pdf (4.284 kb)
S. Woolsey, C. Weber, T. Gonser, E. Hoehn, M. Hostmann, B. Junker, C. Roulier, S, Schweizer, S. Tiegs, K. Tockner, A. Peter, F. Capelli, L, Hunzinger, L. Moosmann, A. Paetzold & S. Rohde (2005): Handbuch für die Erfolgskontrolle bei Fliessgewässerrevitalisierungen. Eawag, WSL, LCH-EPFL & VAW-ETHZ. 116 S., ,
Download pdf (6.779 kb)
R. Bostelmann (2004): Bäche, Flüsse und Altarme. Biotope in Baden-Württemberg 14, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), Karlsruhe, 47 S.,
Download pdf (2.947 kb)